3. Erste Darstellung der Höheren Silane:

Von 1968 bis 1970 gelang dem Doktoranten von Professor Fehér, Peter Plichta, der Kunstgriff, Silane zu substituieren, sodass es nunmehr möglich war, wie in der organischen Chemie, Verbindungsklassen der anorganischen Silane herzustellen. Obwohl diese Arbeiten in den führenden Zeitschriften für Chemie in den USA, England und Deutschland publiziert wurden, gelangten die Ergebnisse nicht in das Standardwerk der deutschsprachigen anorganischen Chemiker, den Hollemann-Wiberg (101. Auflage, 1995).
     

Zum gleichen Zeitpunkt wurden dem einzigen Silan-Institut der Welt von der DFG sehr hohe Beträge zur Verfügung gestellt, um eine halbtechnische saure Zersetzungsanlage aufzubauen. Der 50 Liter Zersetzungskolben aus dickwandigem Glas befand sich aus Sicherheitsgründen in einer Art Schwimmbassin, um gegebenenfalls mit CO2 oder Wasser geflutet werden zu können. Die Doktoranden Dieter Schinkitz, Peter Plichta et al. stellten an einem einzigen Tag 100 kg Magnesiumsilizid bei 1000°C in einem elektrischen Ofen her. Nach Abkühlung wurde das Produkt zertrümmert und auf die richtige Korngröße gebracht und in wochenlanger Arbeit sauer zersetzt. Dabei wurden die gasförmigen Silane in ein Wasserbassin geleitet, wobei sie zusammen mit Wasserstoff unter Blitz und Donner abgefackelt wurden.
     

Da Plichta durch Vorversuche gaschromatographisch die Existenz von höheren Germanen in Rohgermanen und Schinkitz das gleiche bei Rohsilanen nachgewiesen hatten, ließ sich grob überschlagen, in welchen Mengen in dem knapp 4 Liter betragenden Rohsilangemisch höhere Silane durch fraktionierte Destillation gewonnen werden könnten. Fehér hatte sich aber eine Trennung über einen präparativen Gaschromatographen vorgestellt und dafür einem jungen Doktoranden eine Tätigkeit für mehrere Jahre vorgeschlagen. Dies hätte für den Professor den Triumph bedeuten können, z. B. Penta- und Hexasilan herzustellen und damit Stock's Behauptung von der Instabilität zu widerlegen. Plichta hätte dann aber Jahre warten müssen, um von den höheren Silanen, wie Pentasilan und Hexasilan neue Verbindungsklassen zu schaffen.
       

Da er erfasst hatte, wie stabil seine Silan- und Germanverbindungen gaschromatographisch gegenüber Hitze waren, kam er im Frühjahr 1970 auf die auf der Hand liegende Idee, zur Verfügung stehendes Tri- und Tetrasilan zu pyrolysieren. Diese Methode, Benzine in der Hitze im Vakuum katalytisch in günstige Isomere umzuwandeln, ist in der Petrochemie das A und O. In der Tat gelang es Dr. Peter Plichta, inzwischen beamteter Assistent bei Professor Fehér, den Nachweis zu erbringen, dass sich höhere Silane mit der Kettenlänge Si5H12 bis Si10H22 sehr leicht durch Pyrolyse am Glaswolle-Platin-Kontakt bei 350°C im Vakuum bilden und sich gaschromatographisch trennen lassen. Auf diese einfache Idee war Fehér nicht gekommen. (Zur Zeit Stocks gab es die Gaschromatographie noch nicht.) Bei Plichtas Arbeiten zeigte sich überraschend, dass Silane mit höherer Kettenlänge nicht instabil und sogar ab dem n-Heptasilan (Si7H16) nicht mehr selbstentzündlich sind und damit handhabungssicher. Diese Ergebnisse wurden von Professor Fehér – tödlich beleidigt – nicht publiziert, sondern von Plichta patentiert und gelangten deswegen nicht in die Lehrbücher. Plichta, der als Experimentalchemiker alles erreicht hatte, wechselte daraufhin in ein anderes Fachgebiet, wo es auf das Denken ankommt, die Logik und die Mathematik.
        

Dort entwickelte er eine überaus geistvolle Idee, warum die Welt so präzise in mathematischen Konstanten und physikalischen Naturkonstanten angelegt ist. Dies ist sehr wichtig zu erwähnen, weil die Silanchemie dadurch praktisch 30 Jahre lang nicht durch neue Ideen befruchtet wurde, sondern mit dem Tod von Prof. Fehér 1986 zum Erliegen kam.
        

Fehérs präparativer Gaschromatograph erwies sich als unvorteilhaft, sodass er nach Plichtas Ausscheiden stattdessen die Rohsilane durch geschickte Vakuumdestillation in einer Kolonne, also in der Hitze, trennen ließ. Im Buch „Benzin aus Sand“, Die Silan-Revolution, Langen-Müller, 2001, von Peter Plichta kann man auf Seite 96 nachlesen, dass dabei immerhin allein 717g Pentasilan abgetrennt wurde. Obwohl Plichta 1970 schon Substitutionen an von ihm hergestellten, noch höherem, reinen n-Oktasilan durchgeführt und damit die Stabilität höherer Silane hinreichend bewiesen hatte, veröffentlichte Fehér 1976 ein 40-seitiges Bändchen: „Kernresonanzspektroskopische Untersuchungen auf dem Gebiet der präparativen Chemie höherer Silane“ in der Akademie der Wissenschaften NRW (Forschungsbericht Nr. 2545, Fachgruppe Chemie). In diesem Artikel wird deutlich, bis zu welchen verzweigten Isomeren der Silane die Arbeitsgruppe in Köln gekommen ist. Insgesamt zeigt sich aber, dass der Irrtum von Stock, dem es nicht einmal gelungen war, ein n-Pentasilan herzustellen, bewirkt hat, dass die höheren Silane und somit der Name Fehér nicht in die Chemiebücher, wie den Hollemann- Wiberg gelangten. Fehér veröffentlichte sensationelle Kenndaten, wie Siede- und Schmelzpunkte oder Brechungsindizes, aber falsche Verbrennungsenthalpien, worauf noch einzugehen ist. Die Arbeiten seines ehemaligen Habilitanden Plichta wurden nicht erwähnt, so dass der Wirrwarr in den Chemiebüchern jetzt perfekt ist.
        

Der interessierte Leser kann in Band I des autobiographischen Werkes von Peter Plichta „Das Primzahlkreuz“, Quadropol Verlag, 3. Auflage, die Geschichte detailliert nachlesen.

4. Die Stickstoffverbrennung

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