5. Ein festes Edelgas:

Man kann grob vereinfacht sagen, dass der Planet Erde aus einer Silikathülle besteht und diese wiederum aus Silizium. Die Lufthülle um den Planeten besteht zu fast 4/5 aus Stickstoff. Die Verbindung dieser beiden Elemente, Siliziumnitrid, schmilzt erst bei 1900°C, obwohl die Si-N Bindung sehr schwach ist. Es enthält 3 Siliziumatome, die 12 Elektronen zur Verfügung stellen. Atomarer Stickstoff besitzt 5 Elektronen, so dass die 4 Stickstoffatome 20 Elektronen zur chemischen Verbindung beisteuern. Somit besitzt das Molekül 32 Elektronen, und das ist die höchste Hauptquantenzahl.

Das Besondere am Si3N4 Molekül ist die Tatsache, dass lediglich 24 Elektronen an Bindungen teilnehmen, also 12 Einzelbindungen existieren. Das Molekül ist folglich von der Form eines Tetraeders, wobei die 4 Ecken von den 4 Stickstoffatomen besetzt sind. 8 Elektronen nehmen nicht an der chemischen Bindung teil, sondern befinden sich paarweise am Tetraeder ganz außen, was Kennzeichen eines Edelgases ist. Diese einfache quantenmechanische Überlegung zwingt zu der Erkenntnis, dass mit dem Siliziumnitrid neben den Elementen der 8. Hauptgruppe ein „festes Edelgas“ existiert. Da Silizium d-Orbitale besitzt, können die freien Elektronenpaare des Stickstoffs in die dritte Elektronenschale der Siliziumatome eindringen, womit die Voraussetzungen für ein Großmolekül gegeben sind.
       

Hieraus erklärt sich auch die enorme Festigkeit und Temperaturbeständigkeit des Stoffes, so dass er etwa zum Beschichten von Turbinenblättern verwendet wird. Warum kann man diese Art von chemischer Bindung, die einzigartig ist, in keinem Chemiebuch der Erde finden?
       

1789, im Jahr der französischen Revolution erschien das erste Chemiebuch der Welt von Antoine de Lavoisier. Die Alchemie, die herrschende Phlogiston-Lehre war mit einem Schlag abgetan, nur in Deutschland nicht. Erst Napoleons Kanonen sorgten dafür, dass auch in diesem Land die Verbrennung als ein Vorgang erfasst wurde, bei dem der Sauerstoff mit einem anderen Element chemisch reagiert; heute würden wir sagen, dass der Sauerstoff Elektronen aufnimmt.
       

Die oben geschilderte Bildung von Siliziumnitrid ist natürlich auch eine Oxidation; denn der Stickstoff nimmt 12 Elektronen auf. Molekularer Stickstoff besitzt eine Dreifachbindung, die sehr stabil ist. Bei atmosphärischen Gewittern greift der atomare Stickstoff mit Blitz und Donner den Sauerstoff der Luft an. Genau das gleiche passiert bei der Reaktion

von Siliziumwasserstoffen mit molekularem Luftstickstoff, wenn in der Hitze die Silankette in Siliziumradikale und atomaren Wasserstoff H1 zerfällt. Wie kam es zu dieser revolutionären, chemischen Idee, wie wurde sie bewiesen, und welche Bedeutung wird sie in Zukunft haben?

6. Die wahre Bildungsenthalpie der Si-Si-Bindung

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