Artikel & Contergan-Interview

Am 9. November 2000 erschien die Titelstory: Sensationelle Entdeckung,

„Sand – Das Öl Der Zukunft“

Wie ein deutscher Wissenschaftler eine Lösung für unsere Energieprobleme fand

 

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Der deutsche Wissenschaftler heißt Dr. Peter Plichta, der einem
Professor für Chemie der Universität Frankfurt Norbert Auner davon
unterrichtet hatte, dass die syntetischen Benzine Silane mit den 78%
Luftstickstoff in einem glühend heißem Rohr zu einem weißen Pulver
Siliziziumnitrid unter hoher Wärmeabgabe verbrennen. Der Wasserstoff
verbrennt  mit den 20% Sauerstoff der Luft  zu Wasserdampf.

Bei der Firma Wacker AG, dem größten Silikonöl Hersteller
Deutschlands, bei der Norbert Auner einen Beratervertrag hatte, waren
große Mengen angeätztes Silizium von alleine so heiss geworden, dass sie
mit dem Schutzgas Stickstoff angefangen hatten zu brennen. Erst als man
die drohende Katastrophe erfasst hatte, war der Stickstoff gegen das
Edelgas Argon ausgetauscht worden. Hiervon hatte der Chefchemiker
Dr. Weidner Prof. Auner heimlich berichtet. Auner, der die
Stickstoffverbrennung und die erteileten Patente nicht verstanden hatte,
wusste, dass es um einen Nobelpreis in Anorganischer Chemie ging.

Er informierte den "Stern" und flog mt einem Sternredakteur und einem
Fotografen in die USA zu der Firma Dow Corning und erzählte "seine"
Lösung für unsere Energieprobleme. Da der "Stern" keinen Chemiker
beschäftigt, wurde die Titelstory zum Desaster und hatte für Auner die
Folge, dass er ein Jahr ohne Gehalt als Beamter vom Dienst suspendiert
wurde siehe.(s. Geschichte der Silane)

 
 
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"Der Griff nach den Sternen"

Dieses von Peter Plichta gegebene Interview
erschien in "Berliner Journalisten" als
Artikel im Januar 2010. In der selben Ausgabe
erschienen ist ein Interview mit dem englischen
Milliardär Sir Richard Branson zum Thema:
Private Raumfahrt und Weltraumtourismus.
 
 
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"Benzin aus Sand"

Dieser Artikel ist erschienen in der Zeitschrift
"Raum und Zeit" Nr. 128 , Ausgabe März/April 2010.
 
 
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"Über die mathematische Codierung der Materie"

Dieser von Peter Plichta gehaltene Fest-
vortrag erschien in "Der Prüfingenieur" als
Artikel im April 2004.
 
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"Er rechnet mit Gott"

Peter Plichta macht den Zufallstheoretikern
einen Strich durch die Rechnung: Denn die
planmäßige Erschaffung des Weltalls ist
mathematisch beweisbar.

 

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"Benzin aus Sand"

 
Ein Beispiel dafür, wie Sachverhalte
durch die typische BILD-Simplifizierung
falsch wiedergegeben werden können.

  

raum&zeit

Dr. Plichta hat zusammen mit Co-Autoren zwölf Artikel in der Fachzeitschrift
"raum&zeit" in den Jahren 1992 bis 2005 veröffentlicht, von denen die meisten
im Internet (www.raum-und-zeit.com) unter Dr. Peter Plichta zu finden sind.
Auch das Interview über die Hintergründe des Conterganskandals ist so brisant,
weil ein einziger mutiger Verleger in Deutschland Hans-Joachim Ehlers die Namen
der Politverbrecher gedruckt hat.

Hans-Joachim Ehlers

»Die wahren Hintergründe des Contergan-Skandals«

raum&zeit-Interview mit Dr. Peter Plichta, Düsseldorf 1999

Wer die Bücher von Dr. Plichta kennt, weiß um seine Hintergrundkenntnisse über das Haus Henkel (Jahresumsatz 20 Milliarden, u.a. Persil, das jährlich weißer wäscht). Welche Rolle der Firmen-Senior Dr. Konrad Henkel (84) in dem bisher größten Pharma-Skandal Contergan spielte, wie er die Figuren im politischen Marionetten-Theater, besonders in NRW, bewegte und wie er die Justiz u.a. zum Prozeßbetrug veranlaßte, das alles beschreibt Dr. Plichta sehr detailliert in seinem Buch »Das Primzahlkreuz Band III«. Sollte die Justiz in Deutschland sich nicht dem Vorwurf aussetzen wollen, daß für Chemie-Multis grundsätzlich andere Gesetze gelten als für den Normalbürger, dann müßte sie dieses Buch zum Anlaß nehmen, schleunigst gegen das Haus Henkel und andere Hintermänner zu ermitteln, die in diesem Buch einer ganzen Reihe von Offizial-Delikten bezichtigt werden. Das sind Delikte, bei deren Bekanntwerden die Justizbehörden gesetzlich verpflichtet sind, von sich aus tätig zu werden. Was nämlich damals beim Contergan-Skandal wirklich ablief, erfährt die Öffentlichkeit erstmals in Plichtas Primzahlkreuz Band III. raum&zeit sprach mit dem Autor.


Hans-Joachim Ehlers:
Dr. Plichta, Ihr jüngstes Buch »Das Primzahlkreuz Band III - die 4 Pole der Ewigkeit« kommt mir wie eine Zeitbombe vor, was das Haus Henkel anbetrifft. Sollte es noch mutige Staatsanwälte in Deutschland geben, müßte es in Düsseldorf eigentlich bald krachen. Denn was Sie speziell zum Contergan-Skandal und die bis heute unbekannten Hintergründe schreiben, ist schier unglaublich. Dagegen ist eine Bananen-Republik ein mustergültiger Rechtsstaat. Konrad Henkel, so schreiben Sie, der mit dem Contergan-Hersteller Grünenthal gar nichts zu tun hatte, wollte damals auf Biegen und Brechen verhindern, daß ein privater Chemiekonzern (wie ja auch Henkel damals einer war) jemals zur Verantwortung für seine Produkte gezogen werden kann. Es durfte kein Präzedenzfall geschaffen werden. Was ihm dann ja auch aufgrund seines ungeheuren Macht-Einflusses gelungen ist. Dazu eine ganz simple Frage: Woher wissen Sie das alles oder wie läßt sich das verifizieren?

Dr. Peter Plichta:
Bedingt durch meine schon damaligen Kenntnisse auf dem Gebiet der Pharmakologie, der organischen Chemie und der Juristerei habe ich halt etwas beobachtet, was mich verblüfft hat. Ich habe auch durch die Einheirat meines Bruders in die Henkel-Familie, die hinter der Vertuschung des Skandals steckt, dann natürlich interne Sachzusammenhänge erfahren, die ich eigentlich gar nicht wissen dürfte. Inzwischen habe ich soviel Wissen über die Hintergründe des Contergan-Skandals angesammelt, daß ich eigentlich nur darauf warte, daß mich das Haus Henkel wegen übler Nachrede oder sonst etwas verklagt, damit ich die Karten auf den Tisch legen kann. Meine Bücher sind jurisitische Dokumente, deswegen besteht die Henkel-Anweisung, nichts gegen mich zu unternehmen. Mir darf noch nicht einmal ein Unfall zustoßen. Die wollen das einfach aussitzen. Man hat im Fall Contergan einen entscheidenden Fehler gemacht. Der Fall war für immer im See versenkt, und niemand hat damit gerechnet, daß herauskommen würde, wie die Sache wirklich gelaufen ist. Alles hat damit begonnen, daß absurderweise nicht die Inhaber der Firma Grünenthal von der Staatsanwaltschaft angeklagt worden sind, sondern Mitarbeiter. So ist die Düsseldorfer Staatsanwaltschaft ja auch im Fall Dr. K. F. Flick vorgegangen. Der hatte mit Millionenspenden an Politiker nur so um sich geworfen, aber angeklagt wurden u.a. sein Generalbevollmächtigter von Brauchitsch, ein viel zu kluger Industriemann für solch einen Unsinn. Auch im Falle Contergan hat man dafür gesorgt, daß in Aachen von vornherein die Falschen vor Gericht standen. Dabei wären die Inhaber mit einem Haufen gut bezahlter Rechtsanwälte mit milden Strafen für fahrlässige Körperverletzung davon gekommen.

Hans-Joachim Ehlers:
Warum hat man das nicht gemacht ?

Dr. Peter Plichta:
Zunächst einmal hätte aufgrund eines solchen Urteils eine Versicherung für den Schaden haften müssen, und dahinter wieder eine Rückversicherung. Doch genauso wie die chemische Industrie hat natürlich auch die Versicherungsbranche Interesse daran, nicht zahlen zu müssen. Und in meinem letzten Buch habe ich beschrieben, was Konrad Henkel dazu gebracht hat, in den Fall einzugreifen. Er hatte mit dem Fall ja direkt nichts zu tun, stand aber an der Spitze der chemischen und pharmazeutischen Privatindustrie und wollte deswegen nicht, daß es einen Präsidenzfall gibt. Dieser Mann ist von Natur aus eben machtgierig, der hat es von seinem Vater und von seinem Großvater geerbt und die haben gelehrt, Pannen durch Intrigen zu vertuschen. Im »Primzahlkreuz« Band I habe ich noch einigermaßen vorsichtig beschrieben, was ich beobachtet habe, und dadurch gewissermaßen auch eine Falle aufgebaut. Die Henkels haben sich zwar nach Lesen des ersten Bandes entsetzlich aufgeregt, aber mit Hilfe ihrer Düsseldorfer Beziehung die Sache zur Einstellung gebracht. Jetzt, mit der detaillierten Schilderung in Band III, ist die Falle zugeschnappt.

Hans-Joachim Ehlers:
Das heißt also, belegen können Sie Ihre im Buch aufgestellten Behauptungen durch Wissen von Interna aus der Familie Henkel.

Dr. Peter Plichta:
Meine Schwägerin, Dr. med. Christa Plichta, sitzt im Gesellschafterrat und vertritt einen Großteil der Familienaktien. Weiterhin kannte ich viele Beteiligte persönlich, so auch den Verteidiger der Firma Grünenthal, Dr. Dr. Neuberger, den späteren Justizminister von NRW, viele Jahre. Ich war durch mein nicht gerade einfaches Leben außerdem gezwungen, mich soweit nur irgend möglich, juristisch auszubilden. Als ich erfuhr, daß nicht gegen die geschäftsführenden Gesellschafter von Grünenthal Anklage erhoben werden sollte, sondern gegen Angestellte der Firma, war mir klar, daß hier Justiz, Politik und Wirtschaft miteinander mauschelten.

Hans-Joachim Ehlers:
Damit die Sache klarer wird, sollte man vielleicht kurz einmal die wichtigsten Jahreszahlen in diesem Skandal rekapitulieren (...): Der Wirkstoff Thalidomid wird 1957 von Grünenthal-Forschern entdeckt. Schon wenig später erfolgt die Zulassung eines Medikaments namens Contergan mit dem Wirkstoff Thalidomid. Dieses Präparat wird fast zur Wunderdroge. 20 Millionen Pillen wurden pro Monat verkauft. Nachdem sich herausstellte, daß die »Wunderdroge« mit scheußlichen Nebenwirkungen verbunden war, wurde der Vertrieb am 27. November 1961 eingestellt und Ende Dezember 1961 wurde eine Ermittlungsakte angelegt. Das Hauptverfahren wurde jedoch erst am 18. Januar 1968, also sieben Jahre später, vor dem Landgericht Aachen eröffnet. Ich vermute mal, daß die »heiße Phase« für die Kulissenschieber in diesem Skandal zwischen 1961 und 1968 lag.


Ein gewisser Walter Scheel

Dr. Peter Plichta:

Ganz genau. Man hatte sich nämlich intern für die Variante Prozeßverschleppung entschieden. Dazu muß man ganz kurz die politische Landschaft in Nordrhein-Westfalen, deren Parteien im Landtag und die Regierung der damaligen Zeit betrachten, und man muß dazu wissen, daß in NRW ohne Henkel nichts geht. Auch heute nicht, wie Rüdiger Liedtke in seinem Buch: »Wem gehört die Welt« treffend formuliert hat. Zentrale Figur war ein gewisser Walter Scheel, seit 1953 im Bundestag. Er wurde 1956 Finanzminster von NRW. In Scheels Düsseldorfer Wohnung wurde 1956 eine Konspiration geplant, die noch im gleichen Jahr dazu führte, daß der amtierende Ministerpräsident Karl Arnold (CDU) durch ein Mißtrauensvotum gestürzt und der SPD-Mann Fritz Steinhoff zum neuen Minsterpräsidenten gewählt wurde. Der Aufstieg des späteren Bundespräsidenten Walter Scheel wurde durch Konrad Henkel lanciert. Diese Vorgeschichte muß man kennen, um die weiteren Abläufe besser zu verstehen.

Hans-Joachim Ehlers:
Aber was hat das mit dem Contergan-Skandal zu tun?

Dr. Peter Plichta:
Sehr viel, wie Sie gleich sehen werden. Denn, wie schon erwähnt, der Strafverteidiger des Hauses Grünenthal hieß Josef Neuberger aus der Anwaltskanzlei Dr. Dr. Neuberger und Dr. Pieck. Bereits 1963 stand für politische Insider fest, daß Neuberger Justizminister in NRW werden sollte. Er war der Favorit der Landtags-SPD und -FDP. Seit 1961/62 versuchte die renommierte Anwaltskanzlei, ihren Mandanten Grünenthal juristisch herauszupauken. Marschroute: Verschleppung. Es gelang auch, den Prozeßbeginn Jahr für Jahr hinauszuzögern. Die Figur Neuberger als Justizminister war in diesem Spiel schon gesetzt, da gewannen im Sommer 1966 jedoch erneut CDU und FDP die Mehrheit im NRW-Landtag. Aber Neuberger war ja SPD- Mitglied. Doch schon am 8. 12. 1966 wurde der damalige vom Volk gewählte Ministerpräsident Franz Meyers durch ein konstruktives Mißtrauensvotum gestürzt. Drahtzieher hinter den Kulissen war, wie 1956, Walter Scheel, der Intimus von Dr. Konrad Henkel. Jetzt konnte Neuberger Justizminister werden.

Hans-Joachim Ehlers:
Das ist ja unglaublich!


»Von heute auf morgen Justizminister«

Dr. Peter Plichta:

Das auch, vor allem aber war es verheerend für das Strafverfahren! Wo hat es das schon jemals gegeben, daß der Strafverteidiger in einem laufenden Verfahren plötzlich Justizminister und damit praktisch Herr über das Verfahren wird? Vielleicht hat es damals keinen Aufschrei gegeben, weil Dr. Dr. Neuberger als ehemalig verfolgter Jude tabu für jegliche Form von öffentlichen Angriffen war. Um es ganz deutlich auszudrücken: Neuburger war Jude, und das haben die Henkels gemein ausgenutzt. [Fehler im Original] maligen Staatsanwalt Dr. Haverts wie folgt:

»Was soll ich Ihnen sagen, was ich damals erlebt habe. Die Gegenseite hatte 40 Rechtsanwälte aufgeboten, die jeden Tag von neuem Beweisanträge stellten. Ich war der einzige Staatsanwalt und bin in den Akten fast erstickt. Und eines Tages war der Anführer von denen, der Neuberger, plötzlich von heute auf morgen Justizminister und damit mein Dienstherr. Danach wurde das alles noch schlimmer...«


Hier wurde also ein Strafprozess massivst politisch beeinflußt.

Dr. Peter Plichta:

Ja, in geradezu unerträglicher Weise. Aber es geht noch weiter: Man hätte zwar jetzt in der neuen Konstellation mit Neuberger als Justizminister den Prozeß solange verschleppen können, bis er nach 10 Jahren endgültig verjährt war, fünf Jahre hatte man ja schon geschafft, aber dazu hatte der Contergan-Skandal die Menschen zu stark aufgewühlt. So dreist konnte man nicht agieren. Das war den Politikern in Düsseldorf und Bonn klar. Auch ein Deal mit der Justiz, großzügige Entschädigung der Opfer gegen Verfahrenseinstellung schied aus, weil das nach deutschem Recht eine Rechtsbeugung bedeutet hätte. Man mußte noch eine Etage höher, auf die Bundesebene.

Hans-Joachim Ehlers:
Wie das ?

Dr. Peter Plichta:
Bei einem Gerichtsvergleich gibt es keine Täter, und dann haftet auch keine Versicherung. Man brauchte also in Bonn ein neues Bundesgesetz, wonach Opfer aus Bundesmitteln zu entschädigen wären, also aus den Taschen der Steuerzahler.

Hans-Joachim Ehlers:
Und wie sollte das gehen?

Dr. Peter Plichta:
Ganz einfach. Konrad Henkel wußte, daß die SPD-Politiker 1966 vor lauter Sehnsucht nach politischer Führung alles machen würden, um an die Macht zu kommen. Ergo traten am 27. 10. 1966 die vier FDP-Bundesminister Mende, Bucher, Dahlgrün und Scheel geschlossen von ihren Posten zurück. Die CDU/FDP Koalition in Bonn platzte und die große Koalition CDU/SPD begann. Anführer dieses Kabinettstücks war auch diesmal Walter Scheel, der damit seinen Posten und sein Gehalt verlor. Er wurde natürlich im Gegenzug bis zum Beginn der SPD/ FDP-Regierung 1968, in der er Außenminister wurde, finanziell großzügig vom Hause Henkel unterstützt. 1971 wurde per Gesetz von der SPD/FDP-Regierung die »Stiftung Hilfswerk für das behinderte Kind« geschaffen und die Contergan-Geschädigten wurden von dieser Stiftung und nicht von der Firma Grünenthal entschädigt. Dazu sagt der Staatsanwalt Dr. Havert in einer Fernsehdokumentation auf die Frage, wie es denn möglich war, daß dieser Prozeß zehn Jahre lang verschleppt werden konnte, sinngemäß:

»Erst im letzten Jahr haben die mir zwei junge Staatsanwälte zur Verfügung gestellt; und die haben mich hinter meinem Rücken betrogen. Die haben nämlich den Nebenklägern eingeheizt, daß es nach Ablauf der zehnjährigen Frist nichts mehr von Grünenthal zu holen gibt. Dadurch, daß die Nebenkläger zu einem Vergleich gedrängt worden sind, haben sie auf alle ihre Rechte verzichtet. Ohne Urteil gibt es keine Rechtsmittel. Ich habe sie gewarnt, aber niemand hat auf mich gehört. Für die beiden jungen Staatsanwälte jedenfalls hat sich die Sache gelohnt, der eine ist jetzt ganz oben beim BGH und der andere Leitender Oberstaatsanwalt von Düsseldorf«.


Das Verfahren gegen Grünenthal wurde kurz vor Ablauf der Verjährungsfrist mit der Zustimmung aller Prozeßbeteiligten »wegen Geringfügigkeit« eingestellt. Konrad Henkel hatte es geschafft: Es gab keine Schuldigen und damit keinen Präzedenzfall gegen einen Chemie- bzw. Pharma-Konzern.

Hans-Joachim Ehlers:
Und was wurde aus den Opfern ?


Der juristische Bluff

Dr. Peter Plichta:

Mit einem juristischen Bluff, dem gemeinsten in der deutschen Politik, wurde die bereits erwähnte Stiftung per Bundesgesetz geschaffen. Grünenthal hatte in zehn Jahren die Möglichkeit, 100 Millionen DM steuerfreie Rücklagen aufzubauen, die Bundesregierung gab noch 150 Millionen dazu und demonstrierte damit ihr Mitleid mit den Opfern. Diese Stiftung war allein zuständig für die Entschädigung, nicht die Firma Grünenthal. Da es kein Urteil gegeben hatte, gab es auch keine Rechtsmittel. Die enttäuschten Eltern lösten später zwar noch wahre Prozeßlawinen aus, aber außer waggonweise Gerichtsakten, ungeheuren Kosten und Leid blieb nichts übrig. Eine Entschädigung gab es nicht. Es gab nur eine Rente von maximal 850 DM monatlich.

Hans-Joachim Ehlers:
Und damit hat die Chemie- und Pharma-Industrie dem Volk mal wieder demonstriert, wer in dieser Republik wirklich das Sagen hat, oder?

Dr. Peter Plichta:
Das kann man so sehen. In diesem Fall besteht allerdings noch eine Chance auf Gerechtigkeit. Wenn nämlich auf den Verlauf eines Prozesses mit betrügerischen Mitteln Einfluß genommen wird, dann wird der Prozeß ungültig, wenn der Betrug erwiesen ist. Alle, die an diesem Prozeßbetrug beteiligt waren, haben sich strafbar gemacht. Prozeßbetrug verjährt nicht. Es war natürlich klar, daß die Millionen Rückstellung der Firma Grünenthal ja noch kein Grund waren, das Verfahren einzustellen. Man darf einen Strafprozeß nicht dadurch einstellen, daß der Verteidiger und der Staatsanwalt sich verbrüdern und sagen, wir sind eigentlich gegen eine Verurteilung - es sind ja Menschen getötet worden, das heißt, Richter dürften das Verfahren gar nicht einstellen. Um so ein Verfahren einstellen zu können, muß der Fall als minderschwer oder gar läppisch eingestuft werden, und das ist in der Tat ja verblüffenderweise auch geschehen.

Hans-Joachim Ehlers:
Erläutern Sie bitte nach diesen unglaublichen juristischen Vorgängen auch einmal den chemischen Sachverhalt. Warum hat Thalidomid diese furchtbaren Nebenwirkungen und warum hat man die nicht rechtzeitig bemerkt?

Dr. Peter Plichta:
Thalidomid ist eine räumliche chemische Verbindung, die in 2 stereochemischen Formen auftritt. Das bedeutet, die beiden Formen verhalten sich in ihrem räumlichen Bau zueinander wie unsere beiden Hände, bei denen ja bekanntlich bei der linken Hand der Daumen rechts steht, und bei der rechten Hand der Daumen nach links zeigt. Bei der chemischen Synthese von Contergan entsteht nun sowohl rechts- als auch linksbebautes Thalidomid. Ein Gemisch dieser beiden gespiegelten Formen nennt man Racemat. Pharmazeutisch gesehen war Contergan ein Derivat des bewährten Schlafmittels Doriden und hatte den großen Vorteil, daß man sich damit durch Überdosierung nicht umbringen konnte. Als leicht veränderter Abkömmling von Doriden war es zudem patentrechtlich geschützt, so daß man den Preis diktieren konnte. Da bereits Doriden als Racemat im Handel war, obwohl nur eine der beiden Komponenten biochemisch war, haben die Chemiker von Grünenthal den Metabolismus, also die Aufnahme und den Abbau von Thalidomid im Körper, gewissenhaft untersucht. Auch hier wirkte eben nur eine der Spiegelformen als Schlafmittel, die zweite Form schien keine Wirkung zu haben. Die in den 40er und 50er Jahren ausgebildeten Pharmazeuten und Ärzte haben von Stereochemie aufs heutiger Sicht kaum Ahnung gehabt. Doriden wiederum ist ein Abkömmling der berühmt-berüchtigten chemischen Gruppe der Barbiturate. Bei diesen Schlafmitteln spielt die Stereochemie eine enorme Rolle, so daß es dort oft notwendig ist, eine der beiden molekularen Spiegelformen zu entfernen oder gar nicht erst entstehen zu lassen. Die wissenschaftlichen Leiter bei Grünenthal waren also vorgewarnt. Es gab natürlich die Möglichkeit, die psychotrope d.h. einschläfernde Form von Thalidomid in Reinform auf den Markt zu bringen. Das aber hätte zusätzliches Geld gekostet, und das ist nun mal etwas, worauf ein Chemiekonzern gerne verzichtet.

Das stereochemische Zwillingsmolekül Thalidomid, bei dem eins einschläfernd wirkt und das andere als Zellgift bei Föten. Die Moleküle hätten getrennt werden können.

Hans-Joachim Ehlers:
Sie wollen also darauf hinaus, daß bei diesem Wirkstoff die eine Spiegelform einschläfernd wirkt und nur die andere Form giftig ist und die übersehenen, schrecklichen Auswirkungen hat?

Dr. Peter Plichta:
Genau. Es handelt sich also eigentlich nicht, wie in der Presse auch heute noch behauptet wird, um eine Nebenwirkung. Die für unwichtig gehaltene Spiegelform des Contergans, die zu 50 % in jeder Tablette enthalten war, besitzt auch eine Hauptwirkung, und zwar auf die Zellteilung des Lebens. Heute weiß man, daß es ein Zellteilungsgift ist, und deswegen wird dieses Zellteilungsgift sogar in der Pharmazeutischen Industrie wieder eingesetzt, nämlich bei Lepra.

Hans-Joachim Ehlers:
Ja, das habe ich gelesen.

Dr. Peter Plichta:
Also, kein Mensch hat auch nur geahnt, daß ein Stoff eine solche heimtückische Wirkung haben könnte.

Hans-Joachim Ehlers:
Man war ahnungslos?


Mit 20.000 DM hätte die Katastrophe verhindert werden können

Dr. Peter Plichta:

Man war oberflächlich, man ging den Dingen nicht auf den Grund, man war im höchsten Maße unvorsichtig, weil man die Komponente natürlich hätte testen können. Wenn man sorgfältig vorgegangen wäre, hätte man zumindest eine Menschenäffin einen Fötus austragen lassen. Und die hätte dann während der ganzen Zeit mit den Mittel gefüttert werden müssen. Ein solcher Versuch hätte laut »Spiegel« 20.000 DM gekostet. Aber da der Chef der Firma diesen Versuch persönlich gestrichen hat, handelt es sich natürlich mindestens um grobe Fahrlässigkeit, wenn nicht gar um Vorsatz. Es besteht nämlich sogar der Verdacht, daß man Angst davor hatte, daß die Sache mit dem Fötus der Menschenäffin schiefläuft, weil ein einziges mißgebildetes Affenkind die ersehnte Geldquelle zum Versiegen gebracht hätte.

Hans-Joachim Ehlers:
Heißt das, weil die Firma Grünenthal 20.000 DM sparen wollte, mußten zigtausend Menschen schlimmstes Leid erfahren, mußten unschuldige Menschen sterben?

Dr. Peter Plichta:
In letzter Konsequenz ist es so.

Hans-Joachim Ehlers:
Da spart man also im vergleich zu den Milliarden Umsätzten der Pharma-Industrie lumpige 20.000 DM und macht stattdessen Menschenversuche. Auf der anderen Seite behauptet die Pharma-Lobby in der Öffentlichkeit frech, um ein neues Medikament zu entwickeln, müßten Millionen DM für Forschung investiert werden. Da werden wir doch alle für dumm verkauft.

Dr. Peter Plichta:
Das ist leider richtig.

Hans-Joachim Ehlers:
Dagegen wird das Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte, dieser BGA-Nachfolger, nur dann sehr kritisch tätig, wenn es um pflanzliche Mittel wie Huflattich geht. Weil eine drogensüchtige Frau, die im Sterben lag, Huflattich Tee getrunken hatte, bevor sie starb, wurde Huflattich aus dem Verkehr gezogen. Wenn schwerste Erkrankungen und Todesfälle nachweislich nach der Einnahme von chemotherapeutischen Mitteln auftreten, zögert die gleiche Behörde in der Regel bis kurz vor dem Eingreifen der Staatsanwaltschaft. Der Staat könnte viel Steuern sparen, wenn er diese Zulassungsstelle privatisierte und gleich ganz der Chemischen Industrie überließe. Damit wäre auch die ständige Irreführung der Öffentlichkeit beendet, die darin besteht, daß sich diese Stelle als »unabhängig« und »wissenschaftlich« bezeichnet. Aber zurück zu Thalidomid. Jetzt wird neuerdings behauptet, daß Contergan wieder in den Handel kommen soll oder zum Teil auch schon ist, und daß man diese schädigende Komponente abgetrennt hat.


Contergan wird wieder verkauft: an Drittländer

Dr. Peter Plichta:

Heute, nachdem man die Spiegelformen getrennt hat, ist man kaum noch daran interessiert, das psychotrope Mittel, also das Schlafmittel, in den Handel zu bringen, sondern natürlich eher die Substanz, die auf die Zellteilung einwirkt, weil nämlich Leprabakterien sich leicht einer behandelnden Chemotherapie entziehen und dieses Mittel recht gut wirkt.

Hans-Joachim Ehlers:
Als Zellgift.

Dr. Peter Plichta:
Als Zellgift ja. Aber jetzt bahnt sich eine neue Katastrophe an. Das sozusagen rein giftige Contergan wird inzwischen in verschiedenen Ländern bei Leprakranken eingesetzt. Leprakranken Frauen wird das Mittel natürlich auch verschrieben. Sie können aber die Beipackzettel nicht lesen, werden schwanger und nehmen das Mittel trotzdem weiter. So gibt es jetzt zum Beispiel in Brasilien schon wieder eine Unzahl von Kindern mit fürchterlichen Mißbildungen. Die Medien begreifen natürlich alle diese Zusammenhänge nicht, und so pflanzt sich der Wirrwarr um Contergan fort.

Hans-Joachim Ehlers:
Skrupelloser geht es eigentlich kaum noch. An diesem Beispiel wird der ganze Zynismus der heutigen Medizin deutlich, soweit sie von der Chemischen Industrie abhängig ist: Ein diffus wirkendes Gift, das wahllos menschliche Zellen vernichtet, wird mit hohem Profit auf dem Markt verkauft, egal wie fürchterlich die Nebenwirkungen sind. Das ganze nennt sich dann Wissenschaft. Dagegen ist die Drogenmafia noch eine wirklich ehrenwerte Gesellschaft, denn sie behauptet wenigstens nicht, wissenschaftlich zu arbeiten.

Dr. Peter Plichta:
Sie haben recht, der Contergan-Skandal zeigt auch, mit welcher Brutalität die darin involvierten Personen handeln und wie hier im nachhinein die Drähte gespannt und gezogen wurden, um sich aus der Verantwortung zu schleichen. Ich habe in »Das Primzahlkreuz« Band I den Contergan-Fall noch als reinen Fall der Machtgier eines chemischen Industriellen dargestellt. Da Konrad Henkel, was aktenkundig beim Düsseldorfer Gericht vorliegt, schon einmal versucht hat, mich für immer zu beseitigen, mußte ich vorsichtig vorgehen. Man hat natürlich nicht damit gerechnet, daß ich jetzt im dritten Band erst richtig auspacke und die Sache so erzähle, wie sie wirklich stattgefunden hat. Was die jetzt machen, weiß ich nicht. Unsere Staatsanwaltschaft in Düsseldorf jedenfalls, die müßte von Grund auf und systematisch erneuert werden.

Hans-Joachim Ehlers:
Ist die NRW-Struktur immer noch die gleiche?

Dr. Peter Plichta:
Ich hatte ja schon erwähnt, daß der ehemalige »Hilfsanwalt« Knipfer zur Belohnung für das Hintergehen seines Chefs Dr. Haverts in Düsseldorf Leitender Oberstaatsanwalt geworden ist. Die großen Strafverfolgungsbehörden in NRW sind von Henkel bestens geschmiert. Schon in der Parteispendenaffäre hat 1981 die Bonner Staatsanwaltschaft Konrad Henkel nicht angeklagt, obwohl andere Industrielle vor Gericht gezerrt worden sind für wahrlich geringere Sümmlein. Dr. Henkel bekam lediglich einen Strafbefehl über 3,5 Mio. DM - den höchsten jemals in Deutschland ausgestellten Strafbefehl - und wäre damit vorbestraft gewesen. Jetzt hatte er jedoch die Chance, mit Hilfe seines Einflusses am Amtsgericht, Landgericht und Oberlandesgericht Düsseldorf die 10jährige Verjährungsvariante - wie im Contergan-Fall - zu spielen. Einzelne Richter und Staatsanwälte in Düsseldorf mögen unbestechlich sein und in hohem Maße für ihren Beruf befähigt, aber das System ist so korrupt, daß man es als kriminelle Vereinigung bezeichnen muß, wenn man Mut hat.

Hans-Joachim Ehlers:
Das ist richtig. Das sehe ich auch so. Die Frage ist nur, wer geht dagegen vor?


Nur die Presse könnte helfen

Dr. Peter Plichta:

Dazu wäre an sich die Presse da, doch die Abhängigkeit der Massenmedien, besonders von der Chemischen Industrie, läßt da wenig hoffen. Deshalb glauben auch die eigentlichen Machthaber in Düsseldorf, sie können das alles aussitzen...

Hans-Joachim Ehlers:
Ja. Das wäre die einzige Möglichkeit, die Öffentlichkeit. Doch die Presse müßte nicht nur in Düsseldorf, sondern auch in Brüssel hineinleuchten. Denn auch dort haben sich längst die Henkels und Co. in Lobby-Gruppen manifestiert, die inzwischen die EU-Politik bestimmen. Sie machen dort die Gesetzentwürfe, die sie dann der Kommission übergeben, die sie dann fast wörtlich in die EU-Vorlagen übernimmt. Und wenn Sie dann die Europol dazu sehen, was an Bio-Ethik im Moment über den Europarat noch angeschoben wird, wenn man das alles zusammen sieht, dann wird's einem dabei angst und bange vor diesem Europa. Das ist das Europa der Konzerne.

Dr. Peter Plichta:
Ja, und das ist auch meine Überzeugung, daß man ein Europa letztenendes überhaupt nicht auf Konzernstrategie oder gar auf einer einheitlichen Währung und einem unüberschaubaren Heer von Euro-Beamten bzw. Parlamentariern aufbauen kann, sondern nur auf einer gemeinsamen Idee. Hier im Abendland sind zu Beginn der Neuzeit die großen mathematischen Durchbrüche erfolgt, die das technische Zeitalter begründet haben. Gleichzeitig haben wir mit unserer Technik alle anderen Kulturen dieser Erde verseucht. Hier in Europa müssen neue Ideen entwickelt werden, wie die weltweite Krise überwunden werden kann. Wir müssen aufhören, politische Sonntagsreden zu halten, und mit dem Denken beginnen. Diese Einsicht ist der erste Schritt in die richtige Richtung. Ich will jedoch noch einmal ganz kurz auf den Contergan-Fall zurückkommen. 10.000 Menschen sind verkrüppelt und betrogen worden, und die beiden Ehrenbürger von Düsseldorf, Dr. Dr. hc. Konrad Henkel und der ehemalige Bundespräsident Walter Scheel haben sich mit Ehren überhäufen lassen und Golf gepielt. In NRW wurde ein korrupter Strafverteidiger kurzerhand zum Justizminister gemacht, damit der Strafprozeß verschleppt werden konnte und am Ende der Staat die Zeche zahlte. Mit Wissen darum muß auch über die Rolle von Willy Brandt diskutiert werden. Er, der zweimal die Wahl verloren und öffentlich verkündigt hatte, nie wieder anzutreten, wurde durch Drahtzieherei zum Außenminister gemacht. So konnte er sich profilieren und doch noch Bundeskanzler werden. Denn damit die Legislative eingreift und der Staat zum Zahlmeister für die Industrie wurde, brauchten Walter Scheel und die Drahtzieher im Hintergrund den Bundeskanzler. Willy Brandt ist vielleicht nicht aktiv an der Vertuschung des Contergan-Falls beteiligt gewesen, aber er hat mit Sicherheit gewußt, was da in Düsseldorf für eine dreckige Brühe gekocht worden ist. Nach der Erfüllung seines Zwecks ist er ja auch sehr schnell ausgetauscht worden. Wer noch immer an das ordnungsgemäßige Funktionieren der deutschen Politik glaubt, soll sich einmal mit der Rolle der FDP auseinandersetzen: In der Öffentlichkeit hielt man die FDP für eine wankelmütige Umfall-Partei, in Wirklichkeit hatte jeder Koalitionswechsel einen korrupten Hintermann, den Henkel-Mann Walter Scheel.

Hans-Joachim Ehlers:
Ja, ich finde, nachdem jetzt durch Ihr Buch, die wirklichen Hintergründe der Vertuschung, nämlich ein Justizskandal, aufgedeckt wurden, müßte eigentlich erneut Anklage erhoben werden.

Dr. Peter Plichta:
Also für die Grünenthal ist die Sache natürlich verjährt. Da aber feststeht, daß der Henkel-Konzern von Anfang an zusammen mit den Spitzen der Landesregierung Nordrhein-Westfalen in den Prozeß eingegriffen hat, ist der ganze Prozeß Betrug. Und Prozeßbetrug kann eben nicht verjähren.

Hans-Joachim Ehlers:
Stichwort Prozeßbetrug, ja, das ist das schlimmste, was es gibt.

Dr. Peter Plichta:
Das heißt, man muß im Prinzip die Bundesanwaltschaft benachrichtigen und sagen: in Düsseldorf ist ein Rattennest, entweder wir lassen das, dann machen wir Deutschland zu, dann können wir alle nach Südamerika auswandern oder aber es wird in irgendeiner Weise von einer anderen Staatsanwaltschaft, von mir aus der Bundesanwaltschaft, dafür gesorgt, daß die Vorwürfe, die hier jetzt öffentlich vorliegen, untersucht werden. Das darf die Düsseldorfer Staatsanwaltschaft auf gar keinen Fall selbst bearbeiten.

Hans-Joachim Ehlers:
Ist klar.

Dr. Peter Plichta:
Wenn wir ein Rechtsstaat sind, muß der Fall, weil es Prozeßbetrug war, wieder aufgerollt werden, und diesmal müssen diejenigen, die diesen Prozeßbetrug aktiv betrieben haben, vor Gericht gestellt werden. Und das ist der Henkel-Konzern und so gesehen wartet man in Düsseldorf natürlich darauf, daß der alte Schurke das Zeitliche segnet. Dann wären sie den, der alles verbrochen hat, los.

Hans-Joachim Ehlers:
Ja, gut, aber das klingt dann so nach Befehlsgewalt. Da waren aber noch genügend Lakeien dabei, die aktiv mitgearbeitet haben, und die dann auch noch leben.


Im Stich gelassene Opfer

Dr. Peter Plichta:

Richtig. Aber mir fällt noch etwas ein, das wichtig ist. Ich habe ja, wie Sie gelesen haben, einen Film über den Contergan-Fall gesehen und in dem Zusammenhang das Leben eines Menschen, eines Contergan-Opfers, das völlig ohne Arme und Beine lebt und nur am Unterleib so eine Art Schwimmflosse besitzt und oben praktisch nur einen Finger. Dieser junge Mann, dessen Schicksal der Film weitgehend erzählt, studierte Jura in Köln. Der hat so haarsträubende Dinge erzählt, daß ich mich mit ihm in Verbindung gesetzt habe, ich wollte es einfach mal sehen, wie man unter solchen Bedingungen Jura studiert. Er kroch halt auf so einer kleinen Karre mit Rädern und mit der Schwimmflosse bewegte er sich. Weil er wegen seiner Behinderung zuviele Semester benötigte, wollten sie ihn auch noch exmatrikulieren. Ich nahm zu dieser Zeit ja noch wie jeder andere in der Bevölkerung an, daß die Contergan-Opfer irgendwie mit dem vielen Geld, den 250 Millionen, entschädigt worden waren. Und da ist dann in mir der Zorn, der wirkliche Zorn ausgebrochen, als ich erfuhr, was die wirklich bekommen haben. Es gab keine klare Regelungen, sondern die Geschädigten sind in einem ungeheuren Maße, das weiß die Bevölkerung nicht, gegeneinander aufgehetzt worden. Da gab es verschiedene Organisationen und alle wollten an das Geld ran, so daß das ganze Geld durch Prozessieren rauf und runter durch die Instanzen, verloren ging. Die Opfer haben nicht einmal einen Pfennig Entschädigung bekommen. Das einzige, was sie bekommen haben, waren 850 DM, das war alles.

Hans-Joachim Ehlers:
Einmalig oder wie?

Dr. Peter Plichta:
Nein, im Monat, also für den, der den Höchstschaden hat. Also dieser junge Mann, der da so schlimm geschädigt ist, bekommt 850 DM, seine Wohnung wird vom Sozialamt bezahlt, und dann kriegt er noch Sozialhilfe. Er könnte ohne finanzielle Sorgen leben, wenn das viele Geld so verteilt worden wäre, daß es bei denen, die das Leid erlitten, auch angekommen wäre. So war es aber nicht. Man wollte die Verwirrung und den Streit bis ins allerletzte haben, damit über das eigentliche, den Zynismus, den Chemie-Skandal mit anschliessendem Justiz-Skandal nicht wieder geredet wurde.

Hans-Joachim Ehlers:
Diese schlimme Rechnung scheint auch fast aufgegangen zu sein. Ich danke Ihnen Herr Dr. Plichta, auch im Namen unserer Leserinnen und Leser für Ihren Mut und aufrechten Gang und hoffe mit Ihnen, daß auch in Düsseldorf letztlich noch Gerechtigkeit einzieht.




Warum der Fall Contergan auch heute noch so aktuell ist

Er liegt mehr als 40 Jahre zurück, der größte, bisher bekannte Pharma-Skandal.

Und doch ist er so aktuell wie nie zuvor. Durch die Bücher Dr. Peter Plichtas, der darin u.a. Blicke hinter die Kulissen der Chemie-Giganten vermittelt, wird die ganze Skrupellosigkeit klar, mit der in der Chemie- und Pharma-Industrie zu Werke gegangen wird.

Da werden chemische Substanzen zusammengemixt, die aus Gründen der Sparsamkeit nur halb kontrolliert auf den Markt geworfen werden. Da werden Menschenversuche an Hunderttausenden gemacht, ohne daß die gutgläubigen Opfer davon etwas ahnen, denn ihnen hat man via Werbung und Propaganda großkotzig hervorragende Wirkung versprochen und die absolute Harmlosigkeit des Medikaments versichert, »wissenschaftlich anerkannt« versteht sich.

Und wenn sich dann herausstellt, daß nicht nur alles gelogen war, sondern daß die chemische Substanz, die in irgend einem Labor entwickelt wurde, tödliche und verkrüppelnde Wirkung hat, dann versucht man zuerst, die Kritiker mundtod zu machen und dann mit Hilfe der Politik und der Justiz sich aus der Verantwortung zu stehlen. Die Entschädigung der Opfer überläßt man weitgehend dem Staat.

Die Aktualität: Mit der gleichen eiskalten Profitgier, mit der man Contergan auf den Markt warf, ohne es ausreichend auf schädigende Wirkungen zu prüfen, wird heute die Gentechnik bei Menschen, Tieren und Pflanzen durchgesetzt. Dabei hat man nicht die geringste Ahnung von den möglicherweise verheerenden Folgen der Eingriffe, die man ebenso skrupel- wie bedenkenlos in höchst komplexen, natürlichen Systemen vornimmt. Eingriffe und Techniken, die so überflüssig sind wie ein Kropf. Und wieder steht ein Heer höchst verantwortungsloser sogenannter Wissenschaftler bereit, auf vage Vermutungen hin Experimente zu machen, die nur einen Zweck haben, die Milliarden-Gewinne der Chemischen Industrie weiter zu erhöhen. Denn es geht den Chemie-Multis nicht um Gesundheit, bessere Ernährung usw., sondern darum, mit dem Einsatz verkrüppelter Gene ganze Branchen und vor allem die Nahrungskette via Patent in den Griff zu bekommen. Und wenn es unabhängige Journalisten wagen, zum Beispiel Zweifel am dem rBST-Rinderhormon des Chemie-Giganten Monsanto zu äußern, dann werden die TVSender, die solche Journalisten beschäftigen, solange massivst bedroht, bis sie die Journalisten feuern.






Die Contergan-Story
Oder die Skrupel der Pharma-Industrie


Am 1. Oktober 1957 kam Thalidomid unter der Handelsbezeichnung Contergan auf den Markt, nach Zulassung durch das damalige Bundesgesundheitsamt. Mit massiver Werbung, vor allem bei den damals 50.000 zugelassenen Ärzten, wurde der Absatz von Contergan angekurbelt. Schon wenige Monate später wurde Contergan in 60 Regionen der Welt vertrieben.

Der Text einer Anzeige für »Contergan forte«:

»Ein Augenblick voll natürlicher Harmonie läßt uns wünschen, daß die Sekunde sich dehne. Doch zumeist bleibt es Augenblick und flüchtiger Wunsch, denn die Unruhe, dem Geiste einst dienstbar, beherrscht uns und treibt uns umher. Ruhe und Schlaf zu fördern vermag Contergan. Dieses gefahrlose Medikament belastet den Leber-Stoffwechsel nicht, beeinflußt weder den Blutdruck noch den Kreislauf und wird auch von empfindlichen Patienten gut vertragen. Schlaf und Ruhe: Contergan, Contergan forte.«

Das Medikament, das da so lyrisch beschrieben und als »gefahrlos« bezeichnet wird, nehmen daraufhin Millionen gutgläubiger Erwachsener und Kinder bei Schlafstörungen, Husten, Migräne, Nervosität, Neurosen, psychischen Traumata, Angstzuständen usw.

Die Nebenwirkungen waren fürchterlich: Schwere Nervenschädigungen, Totgeburten, embryonale Fehlbildungen an Extremitäten, Sinnesorganen und inneren Organen.

Schon kurz nach der Einführung von Contergan gab es erste Berichte über schlimme Nebenwirkungen. Sie wurden sowohl von der Konzernleitung als auch vom BGA ignoriert.

Wieviel Leid hätte vermieden werden können, hätte man bei Grünenthal verantwortlich auf die Berichte der furchtbaren Nebenwirkungen sofort reagiert. Aber damals wie heute überlagert eine außer Kontrolle geratene Profitgier der Chemischen Industrie auch die letzte Spur von Menschlichkeit.

Das einzige, was man tat, man änderte den Beipackzettel, auf dem man jetzt unter Nebenwirkungen Nervenschädigungen aufführte. Eine Warnung an schwangere Frauen, die im Vertrauen auf die in der Werbung versicherte Harmlosigkeit Contergan besonders bevorzugten, unterblieb.

1961 wurde Thalidomid rezeptpflichtig.

Im gleichen Jahr wandte sich der Arzt Dr. Lenz aus Hamburg mit seinen Beobachtungen über die verheerenden Nebenwirkungen von Contergan an die Öffentlichkeit. Kurze Zeit später wurde er von leitenden Herren der Firma Grünenthal mit Schadenersatzforderungen bedroht, er betreibe »Rufmord« an einem Medikament. Doch Dr. Lenz hatte den Bann gebrochen.

Nachdem sich die Meldungen über Contergan-Schäden häuften, erwog das NRW-Innenministerium den Verkauf von Contergan zu verbieten. Grünenthal drohte für diesen Fall mit Schadenersatzforderungen in Millionenhöhe. Erst am 27.11.1961 wurde der Vertrieb von Contergan in der damaligen BRD eingestellt.

Ende Dezember 1961 wurde unter dem Aktenzeichen Js 987/61 bei der Staatsanwaltschaft eine Ermittlungsakte angelegt.

Erst sechs Jahre später, am 18. Januar 1968, begann vor der Großen Strafkammer des Landgerichts Aachen der Prozeß, der bis zum 18. Dezember 1970, ein Jahr vor der Verjährung, verschleppt wurde.

Der Prozeß wurde »wegen Geringfügigkeit« eingestellt.

Mit der drohenden Verjährung wurden die Anspruchsberechtigten zum Vergleich genötigt.

Es gab kein Urteil und somit keine Rechtssicherheit.




© 1999 by EHLERS Verlag, Mühlweg 2 C, D-82054 Sauerlach
Artikel erschienen in:
Raum & Zeit - März/April 1999, Heft 98 (S. 61-64) (ISSN 0722-7949)
Alle Urheberrechte liegen bei den Autoren.
Wiedergabe nur mit ausdrücklicher Genehmigung.

Mit Dank für Wiedergabegenehmigung.


 

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